Faszinierenderweise erlebte die E3 keine ungleiche Geschichte wie einst das Oströmische Reich. Eine Institution, die seit Ewigkeiten bestand und es gar als unmöglich erschien, dass die Welt ohne sie existieren könnte. Und plötzlich ist sie einfach so weg. Eine Zeitenwende bricht an.
Ein kleiner historischer Exkurs
Zugegeben es ist ein abstrakter historischer Vergleich. Aber alle Welt dachte zumindest, die Abstinenz der E3 wäre nur eine Phase und würde frischer und moderner zurückkommen. Dann war sie wieder da, ähnlich wie die Byzantiner es einst geschafft hatten ihr Reich (nach einem vollkommen abstrusen vierten Kreuzzug) von den lateinischen Eroberern zurückzugewinnen. Dennoch waren die Folgen dieses Kreuzzuges derart immens, dass sich die Oströmer nie davon erholen konnten und sie letztlich 1453 von den Osmanen erobert wurden. Wider Erwartend ging dieses jahrtausendealte Reich unter und alle Welt fragte sich: WIE?
Nicht nur Corona ist schuld
Der Übeltäter ist hierbei schnell gefunden. Corona ist der Sturm, der die ganze Welt erschütterte, wie einst Attila der Hunnenkönig. Und ja Corona hat mehr oder minder der E3 den Todesstoß versetzt, wie einst Cäsar der römischen Republik. Jetzt ist aber auch genug mit den historischen Verweisen. Zur Wahrheit gehört dennoch auch, dass Corona nicht der alleinige Übeltäter ist, sondern die Ursachen dieses Untergangs noch viel weiter zurück liegt.
Wenn man ehrlich ist, dann hat man schon Jahre zuvor erkannt, dass die E3 am Aussterben ist. Allein 2019, gut ein Jahr vor der Pandemie, verkündete Sony der E3 eine Absage und machte klipp und klar öffentlich, dass sie lieber mit der PlayStation Experience ihre eigene PR-Bühne organisiert bzw. heutzutage sogar noch lieber den Weg Nintendos einschlägt.
Nintendo war hierbei auch einer der großen Vorreiter, wenn man so möchte. Sie erkannten, dass sie, nach ihrer eher durchwachsenen E3 Präsentation von 2011, lieber ein Event starten wollen, indem alles durchgetaktet und besser kontrollierbarer ist. Die Nintendo Direct wurde geboren. Im Grunde hätte es schon damals aufhören können. Die Direct kam immer noch zeitgleich zur E3 und teilweise von der Präsentation her war sie sogar damals schon besser. Da es letztlich nur eine Videopräsentation ist und man im Grunde Spiel auf Spiel ankündigt und fertig.
Keine kringeligen Momente, keine weirden Gäste, die keine Ahnung vom Thema Games haben und vor allem keine stinklangweiligen Firmengespräche von den Publishern, dass sich ihre Konsole so und so oft verkauft hat. Hinzu kommt noch der wichtigste Punkt: Die Kosten einer Direct betragen nur ein Bruchteil von dem, was die Hersteller für einen Messestand hinblättern müssen. Bei der Direct sind wir in etwa bei einem vier bis fünstelligen Betrag, während ein Besuch bei einer Messe samt Präsentation gerne mal in die Million gehen kann.
Bleibt aber dennoch die Frage: Warum sind die großen nicht gleich auf den Nintendo Zug aufgesprungen?
Zeiten haben sich geändert
Noch vor 30 Jahren war die Videospielwelt eine ganz andere. 1995 gab es noch nicht das Internet im heutigen Sinn. Kleine Datenübertragungen waren möglich, aber weit davon entfernt, was heute alles machbar ist durch Livestreams, Youtube Videos etc. Somit war es für die Hersteller damals nur durch die Präsenz auf einer Messe, wie die E3, möglich ihr kommenden Spiele einer breiten Masse zugänglich zu machen. Sollte das Spiel gut ankommen, dann würde es durch Presse vor Ort und reine Mund-zu-Mund Propaganda weiter beworben werden. Um letztlich die drei großen Märkte abzudecken, gab es die E3 für den amerikanischen, die Tokyo Game Show für den japanischen und unsere heimische Gamescom für den europäischen Markt.
Allerdings hat sich dies durch das Internet massiv geändert. Es ist nicht mehr zwingend notwendig vor Ort zu sein, sondern es ist möglich alles online stattfinden zu lassen. Pressekonferenzen per Stream, Interviews über Teams und selbst Anspielstationen kann man durch Events, wie das Steam Next Fest stattfinden lassen. Dementsprechend bleibt die Frage offen, warum sollten dann Publisher oder Entwickler Unsummen an Geld für eine Messe ausgeben, wenn man dieses Geld einsparen könnte? Letztlich sprechen wir hier von bis zu zweistelligen Millionen Beträgen.
Corona hat diese Entwicklung zwar verstärkt, da es keine andere Möglichkeit gab, als alles anderes Online stattfinden zu lassen, doch gerade in Zeiten von Inflation, wo jeder Cent zweimal umgedreht werden muss, spielen die Publisher nun lieber auf Nummer sicher und gehen nun auch immer mehr den Weg von Nintendo.
Ist die Gamescom bedroht?
Schwierige Frage! Die E3 gibt es so in dieser klassischen Form nicht mehr und lediglich Ubisoft hatte noch eine Pressekonferenz, wie wir sie lieben, abgehalten. Doch könnte die Gamescom das Schicksal der E3 teilen?
Nicht unbedingt es gibt einige Punkte, die für die Gamescom sprechen, dass sie zumindest in egal welcher Form, abgehalten wird. Zum einen gäbe es den Gameverband, welcher ein großes Interesse hat, die Messe aufrechtzuerhalten. Allein für die Repräsentanz des Standorts Deutschland und um die Spieleindustrie immer mehr für die Politik sichtbarer zu machen.
Zwar verliert die Messe immer mehr an großen Publishern, so war THQ Nordiq noch letztes Jahr der größte Stand auf der Messe, doch gewinnt der Indie Markt immer mehr an Einfluss. Die Indie Arena Booth wird von Jahr zu Jahr immer größer und bedeutender und belegte letztes Jahr fast 25% der Halle 10. Dementsprechend ist es hier möglich Spiele auch zu testen, ohne vier Stunden anzustehen und damit erfüllt die Messe ihren Beitrag als Videospielmesse.
Und hinzu kommt: die Messe entwickelt sich seit Jahren immer mehr und mehr zu einem Festival, auf dem YouTuber, Twitch Streamer und andere Content Creator erscheinen. Im Grunde das, was die VideoDays früher in der Lanxess Arena waren. Dadurch sichert sich die Messe auch Besucher die an den Spielen weniger Interesse zeigen
Ob all diese Punkte reichen werden, um weiterhin hunderttausende Besucher anzulocken, wird sich bei der Gamescom dieses Jahr zeigen. Und falls nicht, dann wird die Messe gezwungen sein sich irgendwie neu erfinden zu müssen.