Die Videospielindustrie steckt für viele in der Krise. Eine Ansicht, die ich durchaus teilen würde. Allerdings nicht ganz im Falle der massenhaften Entlassungen in der Branche. Warum gerade so viele entlassen werden, erkläre ich euch.
Was bisher geschah
Euch werden die Entwicklungen der letzten Jahre kaum entgangen sein. Corona hat alles maßgeblich verändert. Die Videospielindustrie hat einen krassen Boom erlebt, dem sie selbst fast gar nicht Herr werden konnte. Dadurch, dass man nichts tun konnte, außer zuhause zu bleiben, ist selbsterklärend, wie es zu diesem Boom kam. Man musste zuhause bleiben, also hat man sich eine Konsole geholt und angefangen zu zocken. Um dieser unglaublich angestiegenen Nachfrage nachzukommen, haben dann die Unternehmen massiv in neues Personal und Arbeitsplätze investiert.
Post-Covid
Heute muss man sagen, eine Entwicklung, die Segen und Fluch zugleich war. Wir reden hier schließlich von gewinnorientierten Unternehmen, die an der Börse und an Investoren gekoppelt sind. Die Investoren kaufen Aktien und wollen, dass der Wert des Unternehmens steigt. Das bedeutet, dass das jeweilige Unternehmen eigentlich fast immer Gewinne und Wachstum haben muss, damit dann auch der Wert des Unternehmens steigt. Diese zwei Säulen sind die Hauptursache für das eigentliche Phänomen. Denn nachdem Corona immer mehr an Einfluss verlor, sahen sich die Videospielunternehmen nun mit einer neuen Situation konfrontiert. Die Leute gehen wieder öfter raus und spielen weniger Videospiele. Der Boom ist vorbei. Was bleibt, sind nun sehr hohe Hürden für die Unternehmen, um die Gewinne und das Wachstum aufrechtzuerhalten. Normalerweise würde man nun denken, dass sich alles wieder gesundschrumpfen müsste auf das Niveau von vor Corona.
Die Realität
Tatsächlich ist es bei einigen Unternehmen so, dass sie, nachdem sie während Covid gute Gewinne gemacht haben, nun in der Krise stecken. Ein sehr gutes Beispiel ist hier die Embracer Group. Das Unternehmen kaufte zahllose Studios während der Boom-Phase ein, nur um jetzt zu sehen, dass die Gewinne und ein sehr lukrativer Zwei-Milliarden-Dollar-Deal mit Saudi-Arabien ausgeblieben sind. Embracer muss also infolge von Misswirtschaft einen Großteil der Studios, die sie erst vor wenigen Jahren eingekauft hatten, wieder schließen. Das Studio Volition ist hierbei ein sehr tragischer Fall. Sie wurden mit der „Saints Row“-Marke berühmt und wurden letztes Jahr geschlossen. Hier trifft auch das zu, was man erwartet hat: Der Markt schrumpft sich quasi von selbst auf das Niveau vor Corona zurück.
Allerdings trifft das nicht ganz auf die ganz großen Publisher zu. Sony beispielsweise hat seinen Gesamtjahresumsatz von April 2023 bis März 2024 veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass Sony auch nach dem Corona-Boom weiterhin Profit macht. Lediglich die Verkaufszahlen der PlayStation 5 sind aus Sonys Sicht etwas enttäuschend gewesen. Lediglich 21 Millionen Konsolen, statt der angepeilten 25 Millionen, konnte das Unternehmen verkaufen. Man sollte allerdings nochmals betonen, dass dies weiterhin sehr gute Verkaufszahlen sind, da sich die Switch beispielsweise im selben Zeitraum ungefähr 16 Millionen Mal verkaufte. Und dennoch hat Sony vor wenigen Monaten 900 Mitarbeiter und damit 8 % seiner ganzen Belegschaft entlassen.
Der Domino-Effekt
Nun kann man zurecht erstaunt sein über diese Entlassungen bei Sony, denn eigentlich fährt das Unternehmen auch ohne den Covid-Boom und mit diesen 900 Mitarbeitern weiterhin Profite ein. Oder Microsoft, die noch vor kurzem den jetzt schon legendären Activision/Blizzard-Deal abgeschlossen haben und nun auch vermelden, dass sie Studios schließen. Dabei ist Microsoft aktuell das wertvollste Unternehmen der Welt. [Hier Bild von Statista einfügen]
Um dies zu erklären, erinnern wir uns mal eben zurück, was die zwei Maximen bei Unternehmen sind. Es sind Gewinne und Wachstum. Sind diese beiden auf Talfahrt, dann werden die Investoren unruhig und der Wert des Unternehmens könnte sinken. Entlassungen sind beispielsweise eines der Gründe, woran Investoren sehen, dass es dem Unternehmen nicht gut geht. Jetzt kommt aber der Clou an der ganzen Geschichte. Es ist eigentlich immer schädlich für den Wert eines Unternehmens an der Börse, wenn es vermelden muss, dass Personal entlassen wird. Allerdings nur, wenn das Unternehmen ganz allein mit dieser Meldung dasteht. Wenn allerdings mehrere vermelden, dass sie Leute entlassen, dann wird dadurch der Aktienkurs nicht mehr groß in Schwankung gebracht, sondern man verbucht diese Meldung als unabdingbare Entwicklung. Böse gesagt springen die Unternehmen auf einen Zug auf, der es ihnen ermöglicht, Personal abzubauen, ohne mit großen Konsequenzen rechnen zu müssen.
Daher entlassen auch Sony und Microsoft phasenweise Personal. Microsoft hatte erst Anfang des Jahres vermeldet, dass sie 1900 Stellen im gesamten Xbox-Team, darunter auch Personal aus ZeniMax und Activision/Blizzard, streichen. Nun geht die Ankündigung über die Schließung von Tango Gameworks und Arkane Austin durch die Schlagzeilen. Man sollte nun sehr gefasst sein, denn das wird höchstwahrscheinlich nicht die letzte Schließung gewesen sein. Um nochmal vor Augen zu führen, wie extrem diese Welle gerade ausfällt: 2022 wurden noch 8500 Beschäftigte entlassen, ein neuer Rekordwert. Dieser wurde dann im darauffolgenden Jahr überboten mit 10.500 Entlassungen und Stand Mai 2024 sind wir jetzt schon bei ungefähr 10.000 Entlassungen. Allein im Zeitraum Januar bis März 2024 gab es schon 8000 Entlassungen, Tendenz steigend.
Fazit
Der Spieleindustrie geht es nicht zwingend katastrophal schlecht, wie man anhand von Microsoft und Sony erkennen kann, nur möchten sie auf der Welle mitschwimmen und sich von Personal trennen. Denn jetzt kann man dies tun, ohne größeren Schaden am Unternehmenswert zu nehmen, als wenn kein einziges Unternehmen jemanden entlassen würde und man völlig allein dastünde mit dieser Entscheidung. Jedoch möchte ich nochmals betonen, dass ich versucht habe, aufzuzeigen, wie es gerade dazu kommt, dass Unternehmen sich trotz guter Zahlen dennoch dazu entschließen, aktuell so viele Stellen wie noch nie abzubauen.
Ich selbst finde diese Entwicklung dennoch höchst dramatisch und glaube, dass der kulturelle Schaden in einigen Jahren spürbar sein wird. Denn es trifft aktuell so viele Studios, die ihre eigene Handschrift besitzen und die auch schon lange Zeit in der Industrie dazugehören. Ein Volition hatte eine sehr lange Historie, über Red Faction bis hin zu Saints Row hat das Studio einen Teil der Spielekultur mitgeprägt. Und nun ist dieses Studio weg, damit auch ihre Handschrift und wird so auch wahrscheinlich nicht mehr wiederkehren. Und das ist nur ein einziges Beispiel. Wir werden später mal in einem Artikel nochmals genau aufdröseln, was dieser Exodus für Folgen haben könnte und warum sich die Spielebranche nicht mehr so anfühlt wie früher. Bis dahin und regt euch nicht zu sehr auf.